Die Gelehrten haben im Islâm einen hohen Stellenwert und eine erhabene Position, worauf die Texte des Qurâns und der Sunna hinweisen. Allâh der Erhabene befiehlt den Gehorsam gegenüber den Gelehrten: „O die ihr glaubt, gehorcht Allâh und gehorcht dem Gesandten und den Befehlshabern unter euch!“ (Sûra 4:59) Mudschâhid und andere erklären, wer mit „Befehlshabern“ gemeint ist: „Das sind die Rechtsgelehrten und die Gelehrten der Religion und des Wissens. Sie lehren die Menschen die Grundsätze der Religion bei, halten zum Guten an und verbieten das Schlechte. Allâh hat es den Menschen zur Pflicht gemacht, ihnen zu gehorchen.“ Um die Stellung der Gelehrten hervorzuheben, sagt Allâh der Erhabene: „Allâh bezeugt, dass es keinen Gott gibt außer Ihm; und (ebenso bezeugen) die Engel und diejenigen, die Wissen besitzen; der Wahrer der Gerechtigkeit. Es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Allmächtigen und Allweisen“ (Sûra 3:18). Allâh der Erhabene hat das Zeugnis der Gelehrten für Seine Einzigartigkeit ausdrücklich hervorgehoben und es mit Seinem eigenen verbunden. Wie As-Sa‘dî treffend bemerkt, ist dies ein deutlicher Beleg für die hohe Wertschätzung des Wissens.
Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte, um den Vorzug der Gelehrten zu verdeutlichen: „Wahrlich, die Gelehrten sind die Erben der Propheten. Sie vererben weder Dinâr noch Dirham, sondern sie vererben das Wissen. Wer es also erlangt, der hat einen großen Anteil erlangt“ (Ahmad). Ibn Radschab erklärt: „Sie vererben das Wissen, mit dem die Propheten gekommen sind. Sie sind die Nachfolger der Propheten in ihren Gemeinschaften, indem sie zum Glauben an Allâh und zu Seinem Gehorsam aufrufen, vor den Dingen, die Er (Allâh) zur Sünde erklärt hat, warnen und Seine Religion verteidigen.“ Es existieren zahlreiche weitere Verse und Hadîthe, die die herausragende Stellung der Gelehrten betonen und die Pflicht zur Befolgung ihrer Anweisungen unterstreichen. Sowohl frühere als auch heutige Rechtsgelehrte haben präzise definiert, welchen Gelehrten dieser Gehorsam gebührt. Ibn Al-Qayyim sagte: „Die islâmischen Rechtsgelehrten und diejenigen, deren Rechtsurteile unter den Menschen weit verbreitet sind, sowie all jene, die sich der Ableitung von Rechtsurteilen widmen und sich mit der Festlegung der Grundsätze für Erlaubtes und Verbotenes befassen.“ Das Erste, was sie auszeichnet und wodurch sie bekannt sind, ist das Wissen, das sie vom Erbe der Prophezeiung tragen. Ibn Taimiyya sagte: „Wer in der Umma eine allgemein anerkannte Stimme der Wahrheit hat und dem die Umma das Wissen bezeugt, der ist ein Gelehrter.“ Die Gelehrten, deren Gehorsam und Befragung Allâh uns geboten hat, sind nicht aufgrund ihrer Person ausgezeichnet, sondern aufgrund ihres Wissens über den Qurân und die Sunna des Propheten. Wenn wir sie befragen, suchen wir nicht ihre persönliche Meinung, sondern wollen Allâh und Seinen Gesandten richtig verstehen.
As-Schâtibî sagte: „Man folgt einem Gelehrten nur insoweit, als er sich auf die Scharîa ausrichtet, ihre Beweise vorbringt und nach ihren Regeln urteilt, sowohl im Allgemeinen als auch im Detail. Und wer in einem Detail oder einem Nebenaspekt von diesem Weg abweicht, der ist kein Gelehrter und es ist nicht richtig, ihm in dem zu folgen, worin er vom geraden Weg der Scharîa abweicht.“
Der blinde absolute Gehorsam gegenüber Gelehrten wurde von Allâh dem Erhabenen bei den Kindern Israels verurteilt: „Sie haben ihre Schriftgelehrten und ihre Mönche zu Herren genommen neben Allâh“ (Sûra 9:31). Der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) erklärte diesen Vers gegenüber Adî ibn Hâtim und sagte: „Sie haben sie zwar nicht angebetet, aber wenn sie ihnen etwas erlaubten, hielten sie es für erlaubt, und wenn sie ihnen etwas verboten, hielten sie es für verboten“ (At-Tirmidhî). Der Gehorsam der Kinder Israels gegenüber ihren Schriftgelehrten und Mönchen war also absolut, selbst wenn diese etwas erlaubten, was Allâh verboten hatte, oder etwas verboten, was Allâh erlaubt hatte.
Es gab unter den Muslimen eine Gruppe, die das Gegenteil von dem tat, was die Kinder Israels mit ihren Gelehrten taten. Sie lehnten die Gelehrten ab und widersprachen ihnen und leugneten ihre Aussagen. Sie widersetzten sich ihren Worten, gehorchten ihnen nicht und folgten ihren Anweisungen nicht. Dieses Verhalten trug maßgeblich zu ihrer Abweichung vom rechten Weg und zu ihrem extremistischen Handeln bei. Die Wahrheit über diese Angelegenheit findet sich in den Lehren des Islâm: den Gelehrten zu gehorchen und sie in dem zu befragen, was sie von Allâh und Seinem Gesandten gelernt und verstanden haben. As-Schâtibî sagte: „Wenn feststeht, dass die Wahrheit und nicht die Person maßgeblich ist, so ist die Wahrheit auch nicht ohne ihre Vermittler zu erkennen. Vielmehr gelangt man durch sie zu ihr, und sie sind die Wegweiser auf ihrem Weg.“
Einer der Hauptgründe für die Abweichung der Chawâridsch vom geraden Weg der Wahrheit war ihr Vertrauen auf ihre eigenen Meinungen und ihr Verzicht darauf, die Meinungen der Gelehrten zu befragen und ihnen zu folgen. So verfielen sie dem Extremismus, der zum Ausschluss anderer vom Islâm (Takfîr) und zum Blutvergießen führte. Alles begann damit, dass sie sich dem Sayyid der Gelehrten und Propheten, dem Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) widersetzten. Dhû Al-Chuwaisira sagte zu ihm: „Sei gerecht, o Gesandter Allâhs!“ Da antwortete der Prophet: „Wehe dir, wer ist gerecht, wenn ich nicht gerecht bin?“ (Al-Buchârî). Die Anhänger dieses Mannes folgten seinem Beispiel und widersprachen den Prophetengefährten und den rechtschaffenen Nachfolgegenerationen. Ihr Vertrauen auf ihre eigenen Meinungen führte sie dazu, einige der Gefährten des Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) wie Alî ibn Abû Tâlib und andere zu töten.
Imâm Ahmad überlieferte von einem Mann aus dem Stamm der Abdulqais, der bei den Chawâridsch war und sie dann verließ. Der Mann sagte: „Sie kamen in ein Dorf, und Abdullâh ibn Chabbâb kam ängstlich heraus und zog seinen Umhang hinter sich her. Sie fragten: ‚Warum hast du dich erschrocken?‘ Er sagte: ‚Bei Allâh, ihr habt mir Angst gemacht.‘ Sie fragten: ‚Bist du Abdullâh ibn Chabbâb, der Gefährte des Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken)?‘ Er antwortete: ‚Ja.‘ Sie fragten: ‚Hast du von deinem Vater einen Hadîth gehört, den er vom Gesandten Allâhs überliefert hat und den du uns erzählen kannst?‘ Er antwortete: ‚Ja, ich habe ihn vom Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) überliefern hören, dass er eine Fitna (Prüfung) erwähnte, in der der Sitzende besser ist als der Stehende, der Stehende besser ist als der Gehende, der Gehende besser ist als der Laufende.‘ Er sagte: ‚Wenn du das (diese Zeit der Fitna) erlebst, dann sei lieber der Diener, der (zu Unrecht) getötet wird (andere Überlieferung: und nicht der, der tötet, AdÜ).‘ Sie fragten: ‚Du hast dies von deinem Vater gehört, der es vom Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) überliefert?‘ Er antwortete: ‚Ja.‘ Da brachten sie ihn zum Flussufer, schlugen ihm den Kopf ab, und sein Blut floss, als wäre es der Riemen einer Sandale, ohne sich zu verteilen. Und sie schlitzten den Bauch seiner schwangeren Frau auf.“
Sie töteten Abdullâh ibn Chabbâb nur, weil er ihnen in ihren Überzeugungen widersprach. Ähnlich verfahren auch heutige Extremisten, indem sie den Aussagen und Entscheidungen der Gelehrten in Fragen des Glaubens und des Rechts widersprechen und stattdessen auf ihre eigenen Interpretationen vertrauen. Sie behaupten fälschlicherweise, in der Rechtsfindung mit den Gelehrten gleichgestellt zu sein.
Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass sich immer mehr junge Menschen nicht mehr an qualifizierte Gelehrte wenden, sondern aufgrund mangelnden Wissens selbständig religiöse Urteile fällen und sich fälschlicherweise selbst für idschtihâdfähige Gelehrte halten. Im Gespräch mit den Jugendlichen sagte Dr. Numân As-Sâmarâî: „Ich fürchte, der Verlust des Vertrauens in die Gelehrten könnte dazu führen, dass ihr entweder unqualifiziert religiöse Texte interpretiert oder in den Büchern nach Antworten sucht, ohne den Rat von Experten einzuholen. Beides birgt erhebliche Risiken.“ „Wir machen (leider) beides“, antwortete einer der Jugendlichen.
Die heutigen Extremisten unterlassen es nicht nur, junge Menschen an Gelehrte heranzuführen, sondern sie diskreditieren diese aktiv, indem sie deren Religion und Wissen, sowohl das der früheren als auch das der späteren Gelehrten, in Zweifel ziehen, um sie von ihnen zu entfremden. Dies ist ein charakteristisches Merkmal der Haltung dieser Extremisten, sowohl früher als auch heute, gegenüber den Gelehrten, die Allâh uns befohlen hat, um Rat zu fragen und deren Anweisungen zu befolgen.
Eine direkte Folge dieser Abkehr von den Gelehrten ist der Verfall in den Extremismus, vor dem Allâh und Sein Gesandter uns eindringlich gewarnt haben. Diese Extremisten erklären Muslime aufgrund von Sünden zu Ungläubigen und rechtfertigen damit unrechtmäßiges Blutvergießen.